Wer derzeit die Bundesstraße B1 nach Brandenburg (Havel) nimmt, muss aktuell viel Geduld haben: Die Brücke über die Eisenbahntrasse wird abgerissen und durch eine neue ersetzt. Sie wurde in den 1970er Jahren als Stahlbrücke mit orthotropen Platten errichtet und entsprach damals dem Stand der Technik. Die Brücke mit dem offiziellen Namen „19.04“ hat eine Spannweite von etwa 23 m und ist als vollständig geschweißte Konstruktion mit vier Hohlkastenhauptträgern ausgeführt. Seit ihrer Errichtung im Jahr 1971 wurde die Brücke durch den immer wachsenden städtischen Verkehr sowie Witterung und Korrosion beansprucht, was zu Materialermüdung führt. Die metallurgischen Eigenschaften des Materials beeinflussen die Widerstandsfähigkeit von Bauwerken, insbesondere hinsichtlich Ermüdungsfestigkeit und Tragfähigkeit. Deshalb muss auch die Substanz des Bauwerks berücksichtigt werden. Ebenso müssen die schweißtechnischen Risiken durch eine gründliche Schweißeignungsbewertung erfasst werden, um im Notfall ein Reparaturkonzept bereithalten zu können.
Ein Expertenteam aus verschiedenen Institutionen und Firmen ist am Abriss der alten Brücke beteiligt, um möglichst viele Informationen über das Bauwerk und seine Eigenschaften sowie die bestehenden Umwelteinflüsse zu sammeln. Dies umfasst u.a. Lastdaten, die durch Verkehrs- und Eigenlasten auf die Brücke wirken. Ein Monitoring kritischer Bereiche wurde über Jahre hinweg durchgeführt, um die Beanspruchungssituation des Materials genau zu erfassen. Um auch die Widerstandsfähigkeit des Materials zu ermitteln, begleiteten umfangreiche materialtechnische Untersuchungen die Messungen. Diese Untersuchungen werden derzeit an der SLV Halle GmbH durchgeführt und umfassen die Bestimmung der mechanischen, metallurgischen sowie der Zähigkeits- und Dehnungseigenschaften. Auch die Nachbewertung von Kerbfällen in der Konstruktion durch Dauerschwingversuche gehört dazu.
Am 25.06.2024 besuchten Mitarbeiter vom Landesbetrieb Straßen Brandenburg die SLV Halle GmbH, um die ersten Ergebnisse der Materialuntersuchungen zu sehen. An herausgearbeiteten Probenmaterial konnten die Prüfstücke bestimmt werden und in gemeinschaftlichen Gesprächen die verschiedenen Möglichkeiten der prüftechnischen Umsetzung der Ermüdungsversuche diskutiert und festgelegt werden. Das Projekttreffen wurde mit einem Rundgang durch die Labore der SLV Halle GmbH und einem Erfahrungsaustausch zur schweißtechnischen Konstruktion von Altbauwerken abgerundet.
Die Abteilung Werkstofftechnik freut sich auf die weitere Zusammenarbeit und bleibt auf die Ergebnisse der zerstörenden Werkstoffuntersuchungen gespannt.